Denkzettel, Neues
Deutschland, 14. 2. 2004
Bitte lachen,
junge welt, 16. 12. 2002
Denkzettel Gerhard
Branstner
Geb. 1927 in Blankenhain bei Weimar. Verwaltungsfachmann,
Hochschullehrer, Cheflektor, freiberuflicher
Schriftsteller. Größter Bucherfolg:
Der Esel als Amtmann. Jüngste Veröffentlichung:
Branstners Brevier. Drei Kinder, zwei Enkelkinder.
Weltsicht
Für welchen höheren Sinn lebt
der Mensch?
Die Welt besser zu machen, dass sie einen
Sinn kriegt.
Was finden Sie liebenswert an diesem
Jahrhundert?
Dass es gerade angefangen hat.
Sie stehen einer Weltregierung vor: Was
würden Sie abschaffen?
Den Kapitalismus.
Was ist links?
Der Kampf für absolute Gleichheit:
von Mann und Frau, alt und jung, arm und
reich, von rot, gelb, weiß und schwarz,
von faul und fleißig, klug und dumm.
Weltreise
Welches ist Ihr liebster Platz auf der
Welt?
Mein Schreibtisch.
Mit welchen drei Begriffen charakterisieren
Sie Deutschland?
Lauwarm, umständlich, unfreundlich.
Was ist für Sie Heimat?
Die deutsche Sprache.
Welches ist das Ziel Ihrer Traumreise?
Eine unberührte Insel der Südsee.
Weltschmerz
Wovor haben Sie Angst?
Vor der Irrationalität des Kapitalismus.
Wann haben Sie zuletzt geweint?
Ich weine stets, wenn ich gerührt bin,
und ich bin leicht gerührt. Die Woche
mindestens drei Mal.
Was trauen Sie der Menschheit nicht mehr
zu?
Dass sie ohne Schaden klug wird.
Was empfinden Sie als Verrat?
Verrat.
Weltkunst
Welcher literarische Held steht Ihnen
am nächsten? Warum?
Elenspiegel/Harlekin: Er ist konsequenter
als unsere Scheibenwischer.
Welches Kunstwerk haben Sie nie verstanden?
Meine eigenen.
Wie beschreiben Sie Lebenskünstler?
Verlegenheitsakrobaten.
Welche Kunst würden Sie gern beherrschen?
Gesang.
Weltwunder
Worüber wundern Sie sich?
Dass Menschen zur Wahl gehen.
Was müsste unbedingt erfunden werden?
Eine Pille gegen zunehmende Heuchelei und
Brutalisierung.
Was ist an Ihnen bewundernswert?
Mein Langmut.
Apropos Wunder: Was ist ein wunder Punkt
bei Ihnen?
Dass ich keinen habe.
Weltbürger
Welchen Zeitgenossen würden Sie
für die Verdienste um die Menschheit
auszeichnen?
Bush: Er schadet dem Kapitalismus mehr als
jeder andere.
Finden Sie Marx überholt?
Um Gottes Willen, nein. Es sein denn von
mir.
Sind Sie für Geburtenkontrolle?
Nein.
Mit welcher Persönlichkeit der Geschichte
würden Sie gern in Briefwechsel treten?
Mit Tucholsky: über die Dummheiten
der Kommunisten, also auch über meine
eigenen.
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Bitte lachen
Wer zuletzt lacht, lacht allein:
Gerhard Branstners »Weisheit des Humors«
Mit der »Weisheit des Humors«
liegt seit ein paar Tagen ein neuer, typischer
Branstner vor: Typisch, da als vielfach
verwendetes »Hausbuch« konzipiert,
und typisch für Branstners Art, Bekanntes
und Gedrucktes immer wieder anders zu ordnen
und dann erneut darzubieten. Wenn wir unter
Humor eine spezielle Lebenshaltung verstehen,
die sich durch heitere Gelassenheit auszeichnet
und sich so über Ärger und Mißlichkeiten
des Alltags erhebt, wenn wir in ihr eine
ästhetische Kategorie der lustbetonten
Wirklichkeitsbewältigung erblicken,
die mit dem Kosmischen verwandt ist, ohne
die Schärfe der Ironie zu besitzen,
aber unweit der Satire steht, dann müssen
wir feststellen, daß Branstners neues
Buch in diesem Verstande humorvoll ist und
wie alles Leben auch über
die eng gezogenen Grenzen seines Titels
hinausreicht.
»Die Weisheit des Humors« bietet
einen inhalts- und formenreichen Querschnitt
durch das schöngeistige und philosophisch-essayistische
Lebenswerk des Wahlberliners. Es reicht
von satirisch-erotischen Sprüchen über
volksliednahe parodistische Texte, deutsche
und orientalische Fabeln, Dialoge von Joschka
und Fränki, Nepomukglossen, parabelartigen
Erzählungen, utopischen Lügengeschichten,
komödiantischen Szenen, verstellt erzählten
Alltagskonflikten, Knittelversen und Goldenen
Lebensregeln bis zu den fünf philosophischen
Projektionen, von denen die fünfte,
die »Philosophie der Heiterkeit als
Grundhaltung des Menschen« die besonders
hervorzuhebende ist.
Mit Folgerichtigkeit verweist die das Buch
einleitende »Gebrauchsanweisung«
auf die Absicht, den Leser auf mannigfache
Weise zu erbauen, seine »philosophische
Weitsicht« zu schärfen, der »Weltparodie«
des Autors zu folgen, diese Welt schließlich
hinter sich zu lassen und seiner positiven
Haltung zum Spiel mit der Wirklichkeit nachzugehen.
»Die ernstesten Zeiten bedürfen
der größten Heiterkeit«,
heißt es da kategorisch. Aber: »Wer
zuletzt lacht, lacht allein«.
Branstners Buch hat zwölf Kapitel,
die jeweils einen Menschentyp charakterisieren.
Es beginnt mit dem »erotischen Menschen«.
Geistreiche Gags, treffsichere Witze, widerborstige
Ideen, provokatorische Feststellungen, scharfe
Urteile, heitere Einfälle, politisch
und philosophisch brisante Thesen, zugespitzte
Pointen und Lebensweisheiten in Fülle
garantieren ein amüsantes, kurzweiliges
und lehrhaftes Lesen. Zudem verführt
das Buch dazu, nach den anderen Büchern
des Autors zu greifen dem »Handbuch
der Heiterkeit« etwa oder den Fabelbüchern
»Der Esel als Amtmann« und die
»Ochsenwette«, der frechen Gedichtsammlung
»Das Verhängnis der Müllerstochter«,
dem »Spruchsäckel« oder den
philosophisch-essayistischen Abhandlungen
»Rotfeder«, der »Neuen Weltofferte«
und der »Gegenwelt«.
Auf den 362 Seiten des Taschenbuches findet
sich eine Blütenlese geistreicher Einfälle,
alles kurz und bündig, in geschliffener
Sprache vom saloppen Ton bis hin zur abstrakten
philosophischen Maxime. Um die Sangeslust
anzukurbeln, hat Branstner seiner »Weisheit
des Humors« einige Notenblätter
beigegeben, darunter das aufreizende Lied
von »Des Jägers Wunderhorn«.
Das Ganze ist als pinkfarbenes Taschenbuch
im »Philosophischen Salon« erschienen
und mit farbenfrohen Computergrafiken Siegfried
Walters geschmückt. Es stellt sich
auf dem Schutztitel als »Die Kater-Taschenbibliothek.
Erstes Buch« vor und weckt damit die
Hoffnung auf weitere verlegerische Initiativen
des von ihm eröffneten »Philosophischen
Salons«.
Bernhard Igel, junge welt, 16. 12. 2002
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